Im Computermagazin Chip Ausgabe 09/2010 findet sich ab Seite 88 ein schöner Artikel mit dem Titel „Windows to go – Jederzeit einsatzbereit! Das transportble Windows 7 rettet Daten, bring Spaß – und läuft stabil“. Dieser Artikel hat auch mir viel Spaß bereitet – aber wahrscheinlich anders, als es sich der Autor gedacht hat. Es handelt sich um einen außerordentlich schlecht recherchierten Beitrag voller Unklarheiten und Halbwahrheiten.

In dem Togo-Beitrag geht es um die Erstellung eines Windows Notfallsystems basierend auf Windows PE. „PE“ steht für „Windows Preinstallation Environment“. Dabei handelt es sich um ein Windows-Mini-System, das ursprünglich (seit Windows XP) als Basis-System für die Installation und Verteilung des Betriebssystem diente. Wer beispielsweise Windows 7 von der Installations-DVD bootet befindet sich in einem PE-System, das zur Installation von Windows 7 auf der Festplatte dient oder über das man Reparaturen durchführen kann. Die PE-Technik kann man auch nutzen, um ein eigenes Mini-Windows mit zusätzlichen Programmen zu erstellen. Genau dafür will der Artikel eine Anleitung bieten. Zum Einsatz kommt dabei das Tool Winbuilder.

„Entpacken Sie den ZIP-Ordner in das Stammverzeichnis Ihrer Fetsplate, etwa „C:\“. Andere Ordner funktionieren oft nicht, denn dort erhält WinBuilder zu wenig Administratorrechte. Das führt zu Fehlermeldungen“.

Schon hier irrt der Autor. Warum sollen in einem Unterordner weniger Rechte vorhanden sein, als in einem Ordner darüber. Das „funktioniert oft nicht“ zeigt hier schon die Unsicherheit. Manchmal geht’s und manchmal geht’s nicht? Oder was ist gemeint? Richtig ist vielmehr: Wenn das Winbuilder-Verzeichnis beispielsweise unter  „Eigene Dateien“ liegt, stolpern einige Programmfunktionen über das Leerzeichen im Pfad. Durch verschachtelte Unterordner kann auch der Pfad insgesamt zu lang werden.

Nach umständlichen Erklärungen, was alles wo zu installieren und was herunterzuladen ist, beginnt der Autor den nächsten Abschnitt mit

„Auf unserem Testrechner stellten wir fest, dass Win7PE noch tief in den Kinderschuhen steckt. Viele der in das Projekt eingebundenen Skripte sind noch fehlerhaft“

Da hat der Autor recht. Win7PE ist experimentell. Ein derartiges Verfahren ist von Microsoft nie vorgesehen gewesen. Ein PE-System zu erstellen ist etwas für Bastler und Computer-Profis. Nur warum sieht der Autor des Artikels die „Kinderschuhe“ erst jetzt und ist davon überrascht? Warum beseitigt er die Fehler in den Skripten nicht selbst und stellt seinen Lesern ein funktionierendes System zur Verfügung?

Dem Leser wird aber noch mehr abverlangt:

„Um trotz dieser Widrigkeiten ein vernünftiges Reise-Windows zu erhalten, kommen Sie um das Programmieren eigener Scripte nicht herum“

Es folgt ein Mini-Workshop zum Erstellen eigener Winbuilder-Scripte. Ob mit dieser  Anleitung  jemand auf diesem Erdenrund ein Winbuilder-Script erstellen kann, ist mehr als fraglich. Wer sich jetzt nicht mehr auskennt, den schickt der Autor zur Winbuilder-Dokumentation unter winbuilder.net/help. Gute Idee. Hier kann sich der frustrierte Leser dann selbst das zusammensuchen, für dessen Erklärung der Autor kein Lust oder zu wenig Wissen hatte. Chip hätte sich viel Papier und Druckfarbe mit einer Kurzform des Artikels gespart. Diese könnte etwa so aussehen: „Lieber Leser. Es gibt da so ein Programm, mit dem lässt sich ein Windows für unterwegs erstellen. Wie das genau funktioniert wissen wir auch nicht und meist klappt das auch nicht richtig. Sollten Sie sich trotzdem dafür interessieren, suchen Sie einfach mal im Internet. Den Kauf einer Zeitschrift können Sie sich dann in Zukunft übrigens auch sparen.“

Es geht auch anders: Das es auch anders geht, hat beispielsweise die c’t bewiesen. In der Ausgabe 6/2010 wurde hier das Erstellen einer PE Notfall-CD ausführlich beschrieben. Die c’t hat die Winbuilder-Scripte anpassen lassen und auf DVD gepackt, so dass sich daraus ohne größere Probleme ein PE-System erstellen ließ.

Ein ähnliches Projekt gibt es auch von der Zeitschrift PC WELT. Informationen dazu gibt es im Artikel „pcwWin7PE-R2: Windows Mini-System erstellen„.

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  1. Es mag sein, dass 4000 Euro für das Coaching okay sind. Die Schuller-Werbung verschleiert allerdings, worum es wirklich geht. Wer…

  2. Danke für die gute Zusammenfassung, der wenigen Infos im Netz! Die Faktenlage ist für mich zu konstruiert um Seriosität glaubhaft…